Im Jahr 2009 erhielt der Filmschaffende Raff Fluri den Auftrag, zum 100. Geburtstag des bekannten Schweizer Filmregisseurs Franz Schnyder eine Ausstellung über sein Leben und seine Filme zu machen. Bei den Recherchen stiess er auf eine VHS-Kassette mit Filmaufnahmen, die Franz Schnyder in jungen Jahren zeigten. Nach umfangreichen Recherchen fand er heraus, dass es sich um Fragmente aus einer Verfilmung des Märchens „Das Kalte Herz“ von Karl Ulrich Schnabel aus dem Jahr 1933 handeln muss.
Gemeinsam mit der Schnabel Music Foundation LLC. stellte er eine möglichst originalgetreue Fassung des Films her und versucht, dessen Entstehungsgeschichte aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Dadurch soll der Film der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, aber auch bestmöglich gesichert werden. Der Recherche und der Dokumentation werden in diesem Projekt auch über die Fertigstellung des Films hinaus die selbe Bedeutung beigemessen wie den technischen und gestalterischen Arbeiten am Film selbst. Einen ausführlichen Text über die Entstehung und Rekonstruktion des Films können Sie hier im Burgdorfer Jahrbuch 2019 lesen.
Das Crowdfunding
Ein solches Projekt zu finanzieren, erwies sich bald einmal als Herausforderung. Dank einigen Förderstellen, welche die Bedeutung des Projekts erkannt haben, durften wir auf gütige und engagierte Menschen zählen, die im Rahmen eines Crowdfundings das Projekt ermöglicht haben. Ihnen allen gebührt grossen Dank!
Wie kommt der Film ins Kino?
Der Film wurde 1933 auf 16mm gedreht. Selbst wenn das Filmmaterial auch 80 Jahre später noch in einem guten Zustand gewesen wäre, so hätte sich eine 16 mm-Projektion im Digitalen Zeitalter als schwierig erwiesen. Der Film war nur in einem sehr fragmentarischen Zustand, verteilt auf verschiedene Filmrollen, erhalten geblieben. Sämtliche darauf enthaltenen Filmstreifen wurden nach einer chemischen Behandlung in 4k overscan abgetastet. Was bedeutet, dass das gesamte Filmmaterial digitalisiert wurde, nicht nur der Bildbereich. In den Digitalisaten sind also die selben Informationen vorhanden, wie wenn die Filmrollen physisch vorliegen würden. Die Restauratoren wussten also während ihrer Arbeit sehr genau, wie die Perforation (seitliche Transportlöcher), Randnotizen und Schnittstellen im jeweiligen Abschnitt ausgesehen hatten. Dies war sehr wichtig, da die originalen Unikate aufgrund ihres Zustands wieder sachgerecht eingelagert werden mussten. Anhand dieser Hinweise und den Notizen des Regisseurs konnte eine möglichst originalgetreue Fassung des Films wieder hergestellt werden. Nun jedoch in digitaler Form.

Vrnl: Markus, Lisbeth und Raff bei der „Farb“korrektur. Auf dem Monitor sind die weiteren Bereiche des Filmmaterials zu sehen, die Hinweise auf Zustand der Perforation, der Klebestellen, auf das Filmmaterial und sogar auf den Kameratyp geben.
Nachdem Raff Fluri den Film geschnitten und nach besten Wissen und Gewissen mit zusätzlichen Zwischentiteln ergänzt hat, wurden bei der Taurus Media in München die Farb- (oder besser: Luminanz-) -korrekturen vorgenommen sowie stark ruckelnde und flimmernde Passagen stabilisiert. Anschliessend gings in die Retusche, wo Staub, defekte Bildbereiche, Kratzer, schräge Klebestellen und auch ein wenig Körnung entfernt werden. Letzteres wird dann fürs blosse Auge kaum sichtbar, ist aber notwendig für eine spätere Komprimierung in BluRay oder andere digitale Formate – beispielsweise für Video on Demand. Dabei achten sie penibel darauf, dass der originale Charakter des Films nicht beeinträchtigt wird, und er seinen analogen Charme behält. Uns war wichtig, dass er dann nicht wie ein neuer digitaler Film in Schwarzweiss aussieht, sondern eben wie ein Film aus den 30 Jahren, der zum ersten Mal durch den Projektor läuft. 🙂
Danach kamen die rund 77’000 Einzelbilder – immer noch in overscan, also mit den Perforationslöchern und Randnotizen drumherum – wieder in die Schweiz, wo der Bildausschnitt bestimmt, die Anfangs-, End- und Zwischentitel eingefügt und das ganze mit der Musiktonspur vereint wurde.
Der Film wurde in den 30er-Jahren mit 16 Frames pro Sekunde gedreht, was heutzutage nicht so einfach zu handhaben ist. Einige Formate unterstützen diese Bildrate auch in digitaler Form, andere wiederum nicht. Dann müssen Frames verdoppelt, überblendet oder gar verdreifacht werden wie beispielsweise für die Wiedergabe im Kino. Damit das Bild schön flüssig läuft, machen wir uns die HigherFrameRate-Technologie in den Kinos zunutze, die uns erlaubt, den Film mit 48 Bildern pro Sekunde (aber natürlich mit korrektem Tempo 😉 auf die Leinwand zu bringen.

Die beiden Waldgeister Timo Schaub und Raff Fluri beim Schnitt des Trailers.
Erhaltungsmassnahmen
Die Digitalisate und der fertig gestellte Film werden in branchenüblichen, offenen Formaten auf einem digitalen Archivmaster gespeichert und in anerkannten Archiven erfasst, wo sie auch zugänglich sind. Darunter gehören die Kinemathek Lichtspiel, Bern; die Cinémathèque Suisse, Lausanne; das Burgerarchiv Burgdorf sowie die Archive der Akademie der Künste, Berlin.
Doch was bringt die Erhaltung eines Films, den niemand kennt? Nach der Erstaufführung im Sommer 2016 folgt eine Kinoauswertung und später die Publikation auf BluRay. Ausschnitte und Hintergrund-Informationen sind im Internet über die Partnerplattformen der Archive und Fernsehsender konsultierbar. Berichte über die Herstellung und die Dokumentation des Projekts werden in Papierform herausgegeben.
(c) Raff Fluri
Das Projekt-Team
Raff Fluri, Projektkoordination und Initiant
Schnabel Music Foundation LLC., vertreten durch Ann und François Mottier
Reto Kromer, Behandlung und Abtastung des Original-Filmmaterials
Robert Israel, Musikkomposition und Aufnahme
Simon Häberli, Grafiker und Gestaltung der Zwischentitel
Markus Altenberger, Retusche, Stabilisierung und Bildbearbeitung
Timo Schaub, Trailer
Werner Grünzweig, Leiter der Musikarchive der Akademie der Künste, Berlin
Lenka Bozonova, Filmemacherin
Das Projekt wird unterstützt von:
Memoriav, dem Verein zur Erhaltung des audiovisuellen Kulturguts in der Schweiz
UBS Kulturstiftung